“Glück zu” so grüßten traditionell die Müller. Diesen Gruß konnte man bestimmt in den vergangenen Jahrhunderten, seit dem Bestand der Harffer Mühlen, so manches Mal hören. Die Harffer Mühlen, waren eine Korn- und eine Ölmühle, die beide durch Wasserkraft angetrieben wurden. Die Kornmühle, dessen Mühlentrackt sich seitlich zur Erft hin an das angrenzende Wohnhaus des Gutshofes Neusser anschloss, lag malerisch, sanft eingebettet an einer sattgrünen Erftschleife, umgeben von hohen Pappeln und vielem Strauchwerk. In dieser Idylle mit Blick über die Erft hin zur Pfarrkirche St. Martin mit angrenzendem Friedhof, stand gegenüber, in früheren Zeiten, eine prächtige Ölmühle in Fachwerkoptik. Schon von weitem sichtbar, war ihr großes Wasserrad zur Erftseite hin. Vor der mehrmaligen Verlegung der Erft, bedingt durch den immer näher rückenden Braunkohlentagebau, floss das Wasser der Erft gemächlich dort vorbei und wurde an den beiden Mühlen mit Staustufen und Wehrmauern begrenzt und gezielt, rauschend zum Mühlenbetrieb hin geleitet. Die in den letzten Jahrzehnten der Nachkriegszeit dem Verfall hingegebene Ölmühle ist der Bevölkerung aber noch anders in Erinnerung geblieben. An ihr gab es Übungen der Morken Harffer Feuerwehr und der letzte intakte und noch nicht eingestürzte Raum, wurde als Unterstellplatz für die jährlichen Fronleichnamsutensilien, für den festlich geschmückten Fronleichnamsaltar, an der Mühle genutzt. Ebenso ist die vor sich hin bröckelnde Ruine vor allem als Hintergrundmotiv in Erinnerung geblieben. Vor deren Kulisse wurde so einige Male zur Harffer Kirmes, Gericht gehalten und zum Fest ausklang dem Freudenstifter, dem “Zachaeus”, einer Strohpuppe, lautstark zur Freude der Bevölkerung, das Urteil verkündet.
Unter der Anschrift 5156 Stadt Kaster, Ortsteil Harff, erreichte man in der Mühlenstraße 1 mit der Telefonnummer 405 die letzten Pächter der Harffer Kornmühle, Wilhelm und Maria Neusser. Die Korn- und Ölmühle war seit Generationen im Besitz der Grafen von Mirbach-Harff und wurde schon lange an Bürgerliche verpachtet. An der Kornmühle zur Erftseite hin war das große Antriebsrad für die drei Mühlgänge, eine für Korn, eine für Weizen und die dritte für Schroth, in einem Ziegelsteinanbau mit abgeschrägtem Dach untergebracht. Neben der Mühle betrieb die Familie Neusser, ebenfalls seit mehreren Generationen, den an die Mühle angrenzenden Gutshof mit Landwirtschaft und eine über die Grenzen hin bekannte Zucht von Rheinischen Kaltblütern. Die Kaltblutzucht hatte Ende der sechziger Jahre, bis zu 20 Pfere beheimatet. Mit ihnen konnten beachtliche Zuchtergebnisse und immer wieder Prämierungen und hohe Auszeichnungen verbucht werden.
Eine der berühmstesten Söhne Harff´s, ein Bauersohn, der spätere Geistliche und Gymnasialprofessor in Essen, Monsignore Hermann Josef Bremer (*1868 – +1936), ist es durch sein frühes Interesse an der geschichtlichen Erforschung rund um Morken Harff zu verdanken, dass wir heute, die Geschichte der Harffer Mühle so darstellen können. In seiner Arbeit aus dem Jahre 1928, erschienen im “Erftland”, schreibt er: “Die heute noch bestehende Mühle am Nordende des Dorfes Harff, gegenwärtig ein Besitztum der Gräflichen von Mirbach´schen Familie, findet seit Jahrhunderten urkundliche Erwähnung. Ihr geschichtliches Gewand ist so reichhaltig an kulturhistorischem Einschlag, das es verdient, allgemeines Kenntnisgut der Erftlandbewohner zu werden.”
Die Nutzung der Wasserkraft ist für den Menschen seit Jahrhunderten von starkem Interesse gewesen und so geht die Existenz der Harffer Mühle bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts dokumentiert zurück. Vermutlich ist sie jedoch noch viel älteren Datums. Dieses lässt sich unschwer an der geographischen Lage der Wassermühlen an der Erft ausmachen. Die damaligen strategische Bedeutung des Flusses Erft, mit seinem ringsum fruchtbaren Lössböden, besonders im Auenverlauf zwischen Bergheim und Grevenbroich, erkannten wohl auch die Herren von Jülich, die Flussaufwärts in 2 km Entfernung bei Alt Kaster ihre Burg und in unmittelbarer Nähe bei Tollhaus (Zollhaus) einen bedeutenden Erft- und Grenzübergang, zur Kur Kölnischen Seite hin, unterhielten.
Um ihre Gebietsansprüche zu festigen bedienten sich die Territorialherren auch so der Wasserkraft des Flusses. So fanden sich im näheren Umkreis der Harffer Mühle noch eine stattliche Anzahl weiterer wasserbetriebener Mühlen. Urkundlich erwähnt wurden die Wasssermühlen in Horrem, Zieverich, Glesch, Bedburg, Kaster, Harff, Gustorf, Grevenbroich und Wevelinghoven. Ebenfalls finden auch die in der Nähe liegenden Windmühlen, in Grottenherten, Titz und Jackerath ihre Erwähnung.
In früheren Jahrhunderten befanden sich die Mühlen wegen der hohen Baukosten und deren Unterhaltung meist nur im Besitz von Adeligen oder von hohen kirchlichen Herren. Durch diese regionalen Besitztümer verpflichteten die Mühlenbesitzer wiederum ihre Untertanen in ihrem Einflussbereich, nur in ihrer Mühle Korn mahlen zu lassen. Man sprach vom “Mühlenbann” der urkundlich schon auf ein Gesetz von Friedrich Barbarossa aus dem Jahre 1158 zurückging. Er sicherte allen Grundherren das alleinige Recht zum Bau und Unterhaltung einer Mühle. Diese Kameral oder auch Bannmühle genannt, sicherte so dem Grundherren über viele Jahrhunderte sichere und folge bleibende Einkünfte. Gab es Verstöße gegen diesen Bann, so wurden sie mit Strafen belegt. Erst im Jahre 1810 reformierten die Preussen die Gewerbefreiheit und schafften per Erlass den Mühlenbann ab.
Die Existenz der Harffer Kornmühle geht bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts zurück. Beurkundungen finden sich ab dem Jahre 1352, 1354 und 1375. Anzunehmen ist auch, dass die Mühle in Harff zum Besitz der Edelleute von Kaster zählte und diese dann im Jahre 1260 mit deren Besitztümer an den Grafen bzw. späteren Herzog von Jülich überging. Feststellen lässt sich aber auch, dass der Herzog von Jülich nicht alleiniger Besitzer der Mühle war. Die Herren von Heinsberg, die in Harff und Umgebung auch Ländereien besaßen, waren ebenfalls Mitbesitzer. Diese könnte darauf hin zurück zu führen sein, das man sich hohe Unterhaltskosten aufteilen wollte. Der Herzog von Jülich und die Herren von Heinsberg sprechen im Jahre 1352 den Mühlenbann für die Harffer Mühle aus. Diesem Mühlenbann verpflichten sich, unter Androhung von Strafen, die Anwohner der Orte Titz, Meer, Betgenhausen, Opherten, Münd, Huppelrath, Jackerath, Immerath, Pesch, Kirchherten, Neurath, Morken und Harff. Ebenfalls wurden im Jahre 1352 Urkundlich festgelegt, das es bei Streitigkeiten wegen des Bannes, die offensichtlich nicht selten waren, diese dann vor dem Burggericht zu Kaster auszutragen waren.
Zu Beginn des 15. Jahrhunderts ist die Harffer Mühle im Besitz der Herren von Harff. Nach mehreren Generationen des alten Harffer Adelsgeschlechts, starb der letzte männliche Nachkommen, Johann Damian von Harff. Seine Schwester, die Alleinerbin, heiratete Wilhelm Johann Freiherrn von Mirbach, der etwas später in den Stand eines Grafen von Mirbach-Harff gesetzt wurde. Alle Harffer Güter und Besitztümer, einschließlich der Korn- und Ölmühle waren von diesem Zeitpunkt an, für drei Jahrhunderte und bis zur Umsiedlung von Morken-Harff, im Besitztum der Grafen von Mirbach-Harff. Der Pachtpreis wurde überwiegend in Naturalien berechnet. So war im Jahre 1502 eine Familie Maes Pächter der der Harffer Mühle und hatte eine Jahrespacht zu errichten von 85 Malter Roggen, 15 Malter Weizen und 2 fette Schweine. Hinzu kamen noch 28 Gulden für den adeligen Besitzer. Malter wurde hauptsächlich als Getreidemaß genutzt, war aber auch ein Brennholzmaß im Fürstentum Blankenburg. Anders sah es beim Getreidemaß aus. Es war in jeder Landesregion oder Stadt und Ort sehr unterschiedlich. Die Abfolge (Maßkette) der kleineren Maße, in denen das Malter geteilt werden konnte, war sehr uneinheitlich. Als Beispiel soll Mühlhausen und Münden stehen. Ersterer hatte auf ein Malter 4 Scheffel oder 16 Metzen, Münden 6 Scheffel. In Gotha waren 1 Malter nur 2 Scheffel. In Nürnberg hatte ein altes Malter 16 Metzen oder 32 Diethäuflein, was 128 Maß waren. Das entsprach 167,1 Liter. Aus der Pachturkunde, die sich heute noch im Besitz der Familie Neusser befindet, ist für eine Pachtdauer 1847 bis 1859 folgende Pacht festgehalten.
“einhundertundein Thaler preuß. Courant; einhundertundeinen Malter Roggen; Sechsunddreißig Malter Gerste, Malz oder Menggut nach Auswahl des Herren Verpächters; sechs Malter Weizen, alles in Harffer Maaß; fünfhundert Rübkuchen; zwölf Maaß Rüböl; ein Mastschwein von dreihundert Pfund; zwei Osterplätze;”
Zur Pacht kam weiterhin hinzu, dass der Pächter sich verpflichten musste, für kleinere Reparaturen, “……die ein Mann in zwei Tagen erledigen konnte……” selbst auf zukommen. Größere Reparaturen sowie Erneuerungen an Dach und Fach, des Mahlwerks und an Brücken und Schleusen, oblagen den adeligen Besitzern. Größere Erneuerungen sind aus den Jahren 1678/79 und 1791 überliefert. Seit Februar 1689 sind die Vorfahren der letzten Müllersfamilie Neusser Pächter und Betreiber der Harffer Kornmühle gewesen. Angefangen mit den Ehepaaren Hoven, heiratete 1822 eine Tochter der Familie Hoven einen N. Meuser. Deren Tochter Sybilla Meuser heiratete Josef Kemmerling. Als weitere Mühlenpächter heiratete deren Tochter Caroline Kemmerling im Jahre 1856 den Landwirt Hermann Josef Broich. Beide waren dann Betreiber der Korn- und der alten Ölmühle, sowie des angrenzenden Gutshofes. Ihnen gelang es in dieser Zeit, neben der Mühlenpacht, auch ein ansehnlichen Eigenbesitz zu erwerben. Ihr Sohn, Heinrich Broich, führte mit seiner Frau Elisabeth als nächste Generation die Mühlen weiter. Ihre älteste Tochter Maria Heiratete 1923 Wilhelm Neusser, ein Landwirt aus dem Raume Erkelenz. Beide reihten sich in die Familientradition erneut ein und wurden Pächter der Harffer Kornmühle. Nach dem Tod von Wilhelm Neusser, im Jahre 1960, verblieb Maria Neusser noch bis zur Umsiedlung und dem Abbruch der Mühle und des Gutshofes als letzte Pächterin auf der Harffer Mühle.
Wie auf dem Foto links zu erkennen ist, hatte die Familie Neusser vor dem zweiten Weltkrieg einen vierrädrigen Planwagen, der von zwei schweren Rheinischen Kaltblutpferden gezogen wurde. An den Pferdehalfter, den Hahnen, hingen jeweils zwei Glocken. Somit wussten die Kunden das der “Mühlenwagen” da war und an bestimmten Tagen in den umliegenden Ortschaften bei den Bauern das Mahlgut ablieferte oder um zu mahlendes Getreide aufzunehmen. Einige werden sich aber auch noch an die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg erinnern, indem eine Vielzahl der Morken-Harffer und umliegenden Dorfbewohner mit ihrem Bollerwagen zur Mühle kamen und ihr “jesümmertes” (gesammeltes) Getreide zum Mahlen brachten. Damals war es allerorts üblich, als es noch keine Mähdreschmaschinen gab, dass auf den abgeernteten Getreidefeldern, das liegen gebliebende Getreide per Hand aufgesammelt (sümmern) wurde. Dieses wurden dann, gegen einen entsprechenden Anteil, für die Mühlenbetreiber gemahlen und so hatte man für den Eigenbedarf Backmehl oder Tauschware oder Viehfutter. Alle zwei bis drei Jahre kam eine besondere Zunft zur Mühle. Die Mühlenbauer reparierten die unter starkem Verschleiß leidenden Holzrahmenriemen und wurden vom Mühlenpächter in Quartier genommen und beköstigt. Im Jahre 1847 heißt es in der Pachturkunde: “Anpächter sind verbunden …. den Handwerkern und deren Gehilfen Kost und Trank nach Orts gebrauch zu verabreichen und ihnen Herberge zu geben” Neben den Mühlenbauer gab es noch einen weiteren Berufszweig der ebenfalls zur Mühle kam. Es kamen Handwerker die, kniend auf dem freigelegten Mühlenstein, diese wieder schärften. Die Kornmühle hatte vertikal angeordnete Mühlensteine und beim der Ölmühle verliefen sie wiederum horizontal. Für diese Geduldsarbeit brauchte man Tage um mit einem speziellen Hammer, Rille für Rille des Mühlensteins wieder aus zu klopfen. Diese Kosten von Verschleißreparaturen hatte wiederum der Mühlenpächter zu tragen.
Mit Aufkommen der industriellen Großmühlen veränderte sich auch die Wirtschaftlichkeit der Harffer Mühle. Zum Ende der fünfziger Jahre ergab sich für die Müllersleute Neusser und deren Mahlknecht ein weiterer richtungsweisender Einschnitt. An der Mühle wurde, wegen des weiter und näher rückenden Tagebaus, das Erftbett erneut verlegt und raubte dem Mühlrad somit seine lebensnotwendige Existenz. Fortan wurde für die noch letzten 10 Jahre, bis zum Abbruch der Mühle, das Mahlwerk nicht mehr über das Wasserrad in Bewegung gesetzt, sondern durch einen Elektromotor ersetzt. Durch die Erftverlegung wurde aus dem rauschenden Fluss, an der einst so idyllischen Mühle, ein still vor sich hin liegender Mühlenteich. Im Jahre 1973/74 war es dann auch für die Harffer Mühle soweit. Ihr Untergang war ebenso unumgänglich besiegelt wie alles andere in Morken Harff auch. Jedoch sollte es für die Harffer Mühle und dem neuen Besitzer, den Rheinischen Braukohlenwerken, noch einmal ganz anders kommen.
Am 22.11.1973 war im Kölner Stadtanzeiger zu lesen: “das Wehrmänner wie die Müllerburschen schuftete” . Dem ehrgeizigen Ziel der Feuerwehr aus Stommeln, mit ihrem heimatorientierten Wehrchef Jakob Dünnwald, ist es noch heute zu verdanken, dass die zum Abbruch freigegebene Mühle vom Bergbaubetreibenden für eine symbolische Summe zurückgekauft werden konnte und ein Mahlwerk durch die Stommeler Wehrleute fachgerecht zerlegt und mit Hilfe eines Mühlenbauers ein Jahr später seinen Platz, an dem sie heute noch funktionstüchtig, aber mangels Wasserzufuhr, ebenfalls durch einen Elektromotor angetrieben, in Stommeln im dortigen Heimatmuseum, gelegen zu Füßen des dortigen Wahrzeichen, der alten Windmühle, seit fast nun 40 Jahren für Besucher, Schulklassen und Geschichtsinteressierte besucht werden kann. Öffnungszeiten erfährt man unter www.heimatmuseum-stommeln.de Gerne hätten die Wehrmänner auch das große Wasserad mitgenommen, doch hatte sich die damalige Stadt Kaster schon selber für das Antriebsrad stark gemacht und es sollte seinen neuen Platz in Alt-Kaster an der dortigen und stillgelegten Wassermühle neben dem unteren gelegenen Erfttor finden. Hierzu ist es in der Kommunalen Neuordnung Mitte der 70 ziger Jahre jedoch nicht mehr gekommen. Der Verbleib des großen Rades, ist uns weitesgehend bis Heute, unbekannt geblieben. Die Augenzeugen der damaligen Zeit berichtenallerdings das dass große und schwerde Metallrad noch intakt gewesen sei und als letztes von allen Überbleibsel der legendären und einst so idyllisch gelegenen Mühlenanlage, abtransportiert wurde.