Das einzigartige und prachtvolle Wasserschloss
Der Name Harff „Haruwe“, wird urkundlich erstmals im 12. Jahrhundert genannt. Damals saßen hier die Ritter mit gleichem Namen. In den Schreinsbüchern der Stadt Köln ist 1233 von einem Hermann von Haruwe die Rede. Es steht zwar nicht genau fest, ob zu diesem Zeitpunkt in Harff eine feste Burg stand. Das ist jedoch anzunehmen, da in einem Gerichtsprotokoll von 1544 erstmals eine Burg erwähnt wird, die vor 242 Jahren, also 1302 bestand. Um 1348 wurde unter Ritter Johann von Harff das Schloss neu aufgebaut und befestigt. Es hatte allerdings damals noch nicht die Ausdehnung und das Aussehen, wie wir es noch größtenteils in Erinnerung haben. Es bestand aus einem bis zuletzt vorhandenen Hauptturm und Türmen mit abschließbaren Flügeln.
Aus der langen Reihe des Geschlechts von Harff ist Ritter Arnold besonders zu erwähnen. Er besaß eine Burg in Nierhoven unweit von Lövenich im Kreis Erkelenz, war der zweite Sohn Damians von Harff und mit Maria von Bongardt und Bergerhausen vermählt. Ritter Arnold ist durch seine Orientreise, die er von 1496 bis 1499 durchführte bekannt geworden. Diese Pilgerreise führte ihn über Meran und Verona nach Rom. Von dort führte sein Weg über Venedig, Pula, Kreta, Rhodos, Alexandria, Kairo im Juli 1497 zum Berg Sinai und weiter nach Jerusalem wo er im Dezember des gleichen Jahres ankam.
Über Damskus, Beirut, Konya, Konstantinopel, Verona, Mailand, Turin, Nimes, Roncesvalles, Burgos führte sein Weg nach Santiago de Compostela. Der Weg zurück in die Heimat führte ihn über Burgos, Bordeaux, Rennes, Paris, Brüssel Maastrich, Aachen nach Köln, wo er am 10. Oktober 1499 gesund und munter ankam. Dank und Lob sei Gott, dem allmächtigen Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, das ich diese Pilgerfahrt in Gesundheit vollendet habe, waren seine Worte.
Im Jahre 1671 starben die Ritter von Harff mit Johann von Damian aus. Der Freiherr Wilhelm von Mirbach, der mit der Schwester Johann von Damians seit 1654 vermählt war, wurde 1675 mit dem Schloss belehnt. Sein Nachfolger Gotthard Adolf, der von 1686 bis 1705 Schlossherr war, ließ das Schloss neu ausbauen. Das Schloss hatte doch im Laufe des 30jährigen Krieges sehr gelitten, besonders im Jahre 1642. Die Bauten und Anlagen waren derart in einem schlechten Zustand geraten, dass unbedingt Abhilfe geschaffen werden musste.
Auf die Tatsache, dass ein Ausbau der Anlagen statt gefunden hat, wies eine Inschrift in einem Balken im Obergeschoss vom Juli 1694 hin. Ein im Schlossarchiv befindliches notarielles Instrument (d.h. Urkunde) vom März 1672 sagt uns auch, dass das Schloss mehrfach durch spanische und kurkölsche Kriegvölker geplündert worden ist. Zur Zeit der französischen Revolution gelangten im Jahre 1793 französische Truppen bis ins Erftland und somit auch nach Harff. Nach dem Zeugnis eines Bediensteten kamen im Mai 1794 beim Rückzug der französischen Truppen einige Kaiserliche Dragoner auf das Schloss um es zu plündern.
Um 1840 wurde das Schloss unter dem in den Grafenstand erhobenen Johann Wilhelm von Mirbach durch die Erbauung eines weiteren Flügels und des Torgebäudes vergrößert. Als die Linie mit diesem 1849 ausstarb, ging der Besitz auf den zweiten Sohn der Schwester Johann Wilhelms, Richard von Vorst-Lombeck, über. Diesem wurde kurze Zeit später der Titel des Grafen von Mirbach verliehen. Graf Ernst, der das Schloss 1842 erbte, hat sich besonders durch seine geschichtliche Forschung einen Namen gemacht. In der Zeit von 1873 bis 1877 wurden durch den Kölner Baumeister August Lange letztmalig Baumaßnahmen durchgeführt, die Schloss Harff in den Zustand versetzten, wie es einige von uns noch gekannt haben. Graf Ernst von Mirbach-Harff schenkte im Jahre 1873 den Bürgern von Morken und Harff ein Grundstück am Messweg, wo die neue St. Martinuskirche gebaut wurde. Die Kosten für die neue Kirche übernahm der Graf ebenfalls. Die Nachfolge von Graf Ernst übernahm sein Sohn Graf Wilhelm von Mirbach das Schloss. Graf Wilhelm von Mirbach wurde in Ischl geboren und genoss hier zunächst Privatunterricht und besuchte dann 1881-85 die Theresianische Akademie in Wien, 1885-89 die Rhein. Ritterakademie Bedburg. Es folgte das Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg (Breisgau), Lausanne und Berlin (1889–92), das mit dem Referendarexamen 1893 abgeschlossen wurde. Als Einjährig-Freiwilliger trat er in das Kürassierregiment von Driesen (Westfäl.) Nr. 4 ein. Dank seiner Herkunft und seiner Ausbildung gelang es dem jungen Juristen ohne Mühe, als Anwärter für die diplomatische Laufbahn angenommen zu werden. Der deutschen Botschaft in London wurde er 1896 zunächst zur Ausbildung zugewiesen, nach erfolgreicher Laufbahnprüfung 1899 als 3. Sekretär. 1901 ließ von Mirbach sich für ein Jahr ohne Bezüge beurlauben, um nach dem Tod des Vaters dessen Hinterlassenschaft zu ordnen. 1902 wurde er dann 2. Sekretär der Gesandtschaft in Den Haag, von wo aus er 1903 jeweils für wenige Wochen vertretungsweise nach Budapest und London ging. Am 13.8. 1904 wurde Graf von Mirbach für den Verband des alten und befestigten Grundbesitzes der Landschaftsbezirke Kleve-Geldern, Nieder-Berg und Nieder-Jülich auf Lebenszeit in das Preußische Herrenhaus berufen. Nach Stationen an den Missionen in München, Bern, Paris und St. Petersburg kehrte Graf von Mirbach 1911 in die Berliner Zentrale zurück und wurde Legationsrat und Vortragender Rat, 1913 gehobener Legationsrat. 1914 wurde er Gesandter in Stuttgart, 1915 in Athen, wo er bis zur zwangsweisen Schließung der Gesandtschaft im November 1916 sehr isoliert, fast wie ein Gefangener lebte. Am 27.12.1916 übernahm er als Rittmeister der Reserve beim Stabe des Chefs des Großen Generalstabes des Feldheeres die Führung der Politischen Abteilung der Militärverwaltung in Rumänien, bevor er knapp ein Jahr später in den Auswärtigen Dienst zurückkehrte.
Im April 1918 wurde dem Grafen eine besonders schwierige Mission anvertraut: Er ging als erster diplomatischer Vertreter des Deutschen Reichs in der Sowjetunion nach Moskau. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehörten die Überwachung der Bestimmungen des Friedensvertrages von Brest-Litowsk und die Fürsorge für die deutschen Gefangenen in der Sowjetunion. Am 6. Juli 1918 wurde von Graf von Mirbach-Harff im Gebäude der deutschen Botschaft in Moskau in der Deneshny Pereulok 5 von zwei Angehörigen der russischen Links-Sozialrevolutionäre, Jakow Blumkin und Nikolai Andrejew erschossen. Blumkin hatte den Auftrag für den Mord an Mirbach-Harff vom Zentralkomitee seiner Partei erhalten, die bis März 1918 der Regierungskoalition mit den Bolschewiki angehört hatte. Das Ziel des Mordes an Graf von Mirbach-Harff war es, den von der Regierung Lenin in Brest-Litowsk unterzeichneten Friedensvertrag mit dem Deutschen Reich zu revidieren. Er war zugleich das Signal für einen regierungsfeindlichen Aufstand, der Moskau und weitere größere Städte erfasste.die den Frieden von Brest-Litowsk als Schmach und Schande empfanden und von einem fanatischen Hass auf alles Deutsche erfüllt waren, durch Pistolenschüsse und Handgranaten ermordet. Um 3.15 Uhr starb Graf Mirbach. Er war 47 Jahre alt.
Graf Wilhelm von Mirbach, der zu den wenigen Katholiken unter den Diplomaten des Kaiserreichs gehörte, überragte die meisten seiner Kollegen dank seiner Intelligenz und seines Könnens. Er war ein in sich ruhende Persönlichkeit mit liebenswürdigen Umgangsformen, großer Überzeugungskraft und anerkannten Führungsfähigkeiten. Da er frei von Vorurteilen war und sich auf neue, überraschende Situationen schnell einstellen konnte, wurden ihm bevorzugt schwierige diplomatische Aufgaben anvertraut.
Am 10. Juli 1918 fand eine Trauerfeier in der deutschen diplomatischen Vertretung in Moskau statt. An deren Anschluss wurde der Leichnam des verstorbenen Grafen zum Moskauer Alexander Bahnhof gebracht und in einem Sonderzug nach Berlin überführt. Ein Mitglied der Gräflichen Familie hatte inzwischen die Begleitung des Verstorbenen übernommen. Es war sein Bruder Major Freiherr von Mirbach. Ihm zur Seite fuhr noch Legationsrat Graf von Bassewitz mit. Noch am gleichen Abend wurde der Leichnam weiter von Berlin nach Harff, dem Stammsitz der Grafen von Mirbach-Harff, überführt. Dort traf er dann am 12. Juli ein. Doch bevor der Wagon mit den sterblichen Überresten und dem Nachlass von Graf Wilhelm in Harff eintraf wurde er bei einem Zwischenstopp in Neuss von Unbekannten aufgebrochen und ausgeplündert.
Auf Schloss Harff angekommen wurde Graf Wilhelm im roten Saal aufgebahrt und die Totenwache hielten tagsüber die Schulkinder von Morken-Harff. Am 15. Juli 1918 begannen die Beisetzungsfeierlichkeiten schon morgens um 8:00 Uhr in der Schlosskapelle Harff mit einer stillen Messe. Nach Einsegnung der Leiche um 10:30 Uhr, durch Pfarrer Fell, setzte sich der Trauerzug vom Schloss in Richtung der gegenüberliegenden Schlosskapelle in Bewegung. Es nahmen wieder die Schulkinder von Morken-Harff, als auch die Ortsvereine aus den beiden Orten am Trauerzug teil. Hinter dem Sarg schritten der k. und k. Major Graf Theodor von Mirbach-Harff und die Vertretung seiner Majestät des deutschen Kaisers, Oberpräsident Exzellenz von Groote. Auch die russische Regierung war mit einer Abordnung vertreten und weitere offizielle Persönlichkeiten nahmen am großen Trauerzug teil. Bei der anschließenden Seelenmesse wurde dann der Verstorbene, unter großer Würdigung seiner Verdienste für das deutsche Kaiserreich durch Pfarrer Fell, in der Familiengruft der Schlosskapelle beigesetzt.
Auch das deutsche Kaiserreich nahm noch einmal in einer offiziellen Trauerfeier am 18. Juli in der Berliner St. Hellwegskirche Abschied. Bei einem feierlichem Requiem nahmen zahlreiche Vertreter des Deutschen Reiches, Abschied vom ermordeten Gesandten Graf Wilhelm von Mirbach-Harff. Als Vertretung der Gräflichen Familie von Mirbach-Harff waren seine Brüder nach Berlin angereist. Sie erschienen in den Uniformen österreichischer Offiziere. Theodor Freiherr von Mirbach, der zu diesem Zeitpunkt noch als österreichischer Offizier seinen Militärdienst absolvierte, trat in die Erbfolge und wurde neuer Schloßbesitzer und Graf von Mirbach-Harff.
Man mag Wälder und Felder rekultivieren können, aber wie alte Menschen, so kann man das über Jahrhunderte gewachsene Herz einer Region nicht verpflanzen. Ein solches Herz sei Schloss Harff gewesen, meinte Harald Herzog vom Rheinischen Amt für Denkmalpflege. Was in Harff hing und stand, würde für jedes Museum eine Jahrhundertausstellung abgeben. Das in der bedeutenden Schlossbibliothek eine Handschrift des Sachsenspiegels von 1295 und andere wertvolle Handschriften sowie 1547 Urkunden vom 12. bis 16. Jahrhundert lagen, macht nicht allein den Wert des Schlosses aus. Auch nicht dass es mit 82 Gemälden, Gobelins, barocken Möbeln, einer uralten Waffensammlung und zig kunstgewerblichen Objekten voll gestopft war. All das das nahm der Graf bei seinem Umzug nach Grevenbroich mit. Wichtiger war, dass jedes Türmchen, jedes Winkelchen, jede Verzierung eine Bedeutung für den Gesamtzusammenhang des Schlosses hatte. Jede Kleinigkeit, jeder Stuckschnörkel nahm – mitunter ironisch – Bezug auf ein anderes Gebäudeteil. Eine solch stringente Form des so genannten „introvertierten Bauens“ – und das durch verschiedene Bauherren und Epochen nacheinander – sei einzigartig im Ganzen mit Burgen und Schlössern so reich gesegneten Rheinland gewesen, weiß Herzog.
Es war eben ein Schloss, in dem die Grafen bis zuletzt gelebt haben. So gab es auch eine vollständige Ahnengalerie, die weit bis ins 16. Jahrhundert zurück reichte. Das mit 14 000 Quadratmeter große Schloss war architektonischer, verwaltungsmäßiger, sozialer, wirtschaftlicher, kultureller und durch den 63 Morgen großen Park auch landschaftlicher Kulminationspunkt. Insgesamt stellte es ein einmaliges Eigendenkmal für die Familie der Adligen dar. Deshalb war der Ort Morken-Harff ein großer einheitlicher Organismus von Schloss, Mühle, landwirtschaftlich geprägtem Dorf, Kirche und Kapelle. Morken-Harff war das letzte intakte Ensemble dieser Art im Rheinland.
Wird bedanken uns ganz herzlich bei unserem Schützenbruder “Herrn Achim Blumberg” von den “II. Schwarzen Schill’schen Offiziere Morken-Harff” und “Herrn Reiner Görres” für die zur Verfügung gestellten Bilder.